von Tim Röhn - Welt:
Kurz vor den Wahlen des Jahres 2024 gestehen Politiker von Karl Lauterbach bis Horst Seehofer auf einmal Fehler im Umgang mit Corona ein. Doch statt wirklich aufzuarbeiten, stricken sie schon wieder an der nächsten Legende: „Fehler“ seien geschehen, sagen sie. Dabei ist es viel schlimmer.
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Corona? War da was? Plötzlich, ohne jeden Anlass, ist das Virus wieder Thema. Grund ist eine „Bilanz“ der Pandemie-Zeit, die der „Spiegel“ zieht. Aktuelle und ehemalige politische Entscheidungsträger kommen zu Wort und geben Fehler zu. Das ist eine ziemlich große Sache, alle Medien berichten über die Eingeständnisse, sogar die „Tagesschau“.
Horst Seehofer (CSU), in der vergangenen Legislaturperiode Bundesinnenminister, sagt in dem Stück: „Die Lehre für mich ist: Mit Forderungen nach einer Zwangsimpfung muss man sehr vorsichtig sein.“
Der Ex-Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) sagt: „Wir haben das Impfen als eine Lösung für den Ausstieg aus der Pandemie beworben und eine Erwartung geschürt, die wir am Ende nicht erfüllen konnten.“
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagt: „Der größte Fehler war, dass wir bei den Kindern zum Teil zu streng gewesen sind und mit den Lockerungsmaßnahmen wahrscheinlich etwas zu spät angefangen haben.“ Und: „Wir haben Warnsignale übersehen.“
Fehler also. Oder wie der frühere Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz, einer der unerschütterlichsten Befürworter staatlicher Eingriffe in der Corona-Zeit, auf der Plattform X schrieb: Fehler seien unvermeidbar, das Virus unbekannt gewesen. „Dass Quer,denker‘ (sic!) und andere Besserwisserinnen am Montag behaupten, die Lottozahlen gekannt zu haben, liegt in der Natur der Sache.“
Dieses Gerede, dieser Trick, rechtzeitig vor den anstehenden Wahlen ein bisschen Reue zu zeigen, geht an der Sache vorbei. Das, was in der Corona-Zeit in Deutschland geschehen ist, war nicht einfach ein „Fehler“, der irgendwie passiert ist – es war bewusste Täuschung. Es wurde gelogen, und die Leute wurden für dumm verkauft. Das Land hat nachhaltigen Schaden genommen, die Gesellschaft wurde gespalten, das Vertrauen in Wissenschaft und Politik erschüttert.
Wenn Lauterbach nun behauptet, es seien Warnsignale übersehen worden, ist das eine Verharmlosung dessen, was geschehen ist. Die Warnsignale waren nämlich allgegenwärtig. Aber es wurde alles dafür getan, jene Experten, Politiker und einfachen Bürger zu stigmatisieren, die vor den Kollateralschäden des deutschen Corona-Wegs warnten.
„Querdenker“ hieß es dann, „Wissenschaftsfeind“, „Rechtsextremer“ oder „Putin-Freund“, wenn jemand aussprach, was schon damals offensichtlich war: dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis gegen Maßnahmen wie Impfpflicht und -druck, Schulschließungen, Ausgangssperren und Maskenpflicht (gerade für Kinder) spricht. Leute verloren ihre Jobs, ihre Freundschaften oder wurden ausgegrenzt, wenn sie sich diese Skepsis zu eigen machten oder sich schlicht gegen die Corona-Impfung entschieden.
Mithilfe ausgesuchter Wissenschaftler wurden ungerechtfertigte Angstszenarien geschaffen. Den Leuten wurde wider besseres Wissen eingeschärft, mit ein paar Handgriffen und etwa der Einrichtung von grünen und roten Zonen (No-Covid-Strategie) ließe sich ein Atemwegsvirus besiegen. Welch absurde Idee.
Während das Leben in Schweden weitgehend normal weiterlief – und das Ergebnis schließlich besser war als in Staaten mit vielen staatlichen Eingriffen –, wurde in Deutschland das ganz große Theater aufgeführt.
Irgendwelche Leute, die plötzlich medizinische Fachpersonen waren, schoben Plastikstäbchen tief in Nasen, um der vermeintlichen, aber weltweit ziemlich einmaligen Notwendigkeit von Massentests gerecht zu werden. Da waren Polizisten, die sich umarmende Jugendliche jagten. Polizisten, die mit Abstandshölzern durch Demos liefen. Polizisten, die auf Demonstranten einprügelten oder sie vom Fahrrad rissen.
Und überall Masken, selbst für Kinder. Komplett sinnfreies Gerede vom Erreichen einer „Herdenimmunität“, wenn sich das Land doch nur genügend impft. Die Behauptung, die Impfung schaffe „sterile Immunität“, was immer Unsinn war (verbreitet zum Beispiel von Helge Braun). Da war die Mär der „nebenwirkungsfreien Impfung“ (Lauterbach). Die absurde Argumentation, nur eine Impfpflicht beende die Pandemie (Janosch Dahmen von den Grünen und viele andere).
Der „Sky“-Reporter Patrick Wasserziehr, der den ungeimpften Joshua Kimmich – im Brustton der Überzeugung, auf der richtigen Seite zu stehen – so verhörte, als hätte der Bayern-Star etwas verbrochen.
„Lessons learnt“ – das wäre wichtig
Erinnert sich noch jemand an die Weihnachtsmärkte, auf denen nur Geimpfte in eine Bratwurst beißen durften? An Alena Buyx, die nicht etwa als Chefin des Deutschen Gebäckverbandes, sondern als Ethikratsvorsitzende Impfskeptiker mit Donuts zur Spritze treiben wollte? Es waren irre Jahre.
Weil sich das alles so abgespielt hat, müsste man sich eigentlich intensiv damit beschäftigen – mithilfe einer Enquete-Kommission im Bundestag zum Beispiel. Nicht vordergründig, um mit dem Finger auf die Schuldigen für die vergangene Misere zu zeigen, aber zumindest, um bei der nächsten Gesundheitskrise wissenschaftlich auf der Höhe zu sein. Lessons learnt, das wäre wichtig.
Bloß: Das wollen zu viele Entscheidungsträger nicht, denn das könnte unangenehm werden. Stattdessen also: Upsi, ein Fehlerchen, sorry, wir haben es nicht besser gewusst. Schwamm drüber. Corona? War da was?
(...) Quelle:
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